Die zweite Bauphase 1836 bis 1840
Das Hauptgebäude wurde im Auftrag des Königs Friedrich Wilhelm III. 1839/40 von Ludwig Ferdinand Hesse erbaut. Als "Wohn- und Lehrgebäude" war es Teil der zweiten großen Bauphase der Königlichen Tierarzneischule, knapp 50 Jahre nach deren Gründung. Im Laufe dieser Zeit hatten sich die Ansprüche an die Institution gewandelt. Von einer eher praktisch ausgerichteten Einrichtung ausgehend, wurde in den kommenden Jahren vermehrt Wert auf eine umfassende wissenschaftliche Ausbildung gelegt. Zudem sollten sich die angehenden Tierärzte jetzt auch in einem höheren Maße anderen Haus- und Nutztieren als den bislang bevorzugten Pferden widmen. Reformbestrebungen setzten ab 1817 unter Johann Gottfried Langermann und Karl Asmus Rudolphi ein und fanden in einem seit 1837 vorgeschriebenen Studienplan ihren Abschluß. Auch in den Baumaßnahmen wurde die Neuausrichtung deutlich, zum einen mußten die Ställe vergrößert werden, zum anderen wurde mit der neu entstandenen Hundeklinik ein weiteres Feld der Veterinärmedizin abgedeckt. Gestiegene Schülerzahlen machten neue Räume zur Unterbringung und Lehre erforderlich.
Die seit 1835 zuständige Behörde, das "Curatorium für die Krankenhaus und Thierarznei=Schul=Angelegenheiten" gab 1836 Ludwig Ferdinand Hesse den Auftrag, die erforderlichen Gebäude zu entwerfen. Hesse (1795-1876) war Schüler und Mitarbeiter Schinkels und seit 1831 Königlicher Hof-Bau-Inspector. Kurz vor der Bauzeit des Hauptgebäudes unternahm Hesse eine Italienreise zur Weiterbildung (1838/39). In späteren Jahren, ab 1869, wurde er Königlicher Schloßbaumeister.
Durch zwei Schriften sind wir heute sehr gut über die Organisation und die Bauten der Tierarzneischule aus der Zeit um 1840 informiert. Zum einen berichtete der damalige Direktor der Schule, J. C. Albers in einer "Einladungsschrift zur Feier der Einweihung des neuerbauten Thierarzneischulgebäudes und des funfzigjährigen Bestehens der Anstalt" zum 2. Februar 1841 sowohl die frühe Geschichte der Schule als auch die gegenwärtige Situation. Zwei Jahre später veröffentlichte der Architekt Hesse in der Allgemeinen Bauzeitung, einer weitverbreiteten Fachzeitschrift für Architekten, eine Beschreibung der Bauten nebst Stichen mit Grund- und Aufrissen. Natürlich legten die beiden Autoren unterschiedliche Schwerpunkte, aber es ist auffällig, daß sich die Texte zu den Bauten sehr weit gleichen. Es ist also anzunehmen, daß sich der Architekt ein genaues Bild von den besonderen Anforderungen gemacht und dazu mit den Professoren Rücksprache gehalten hatte. Weiterhin waren Hesse auch technische Innovationen wie eine Luftheizung und Regenrinnen im Hauptgesims wichtig.
Für die Tierarzneischule stand "die Erbauung eines neuen Thierarzneischul=Lehrgebäudes nebst den erforderlichen Stallungen für 110 Pferde, so wie die Anlage eines Gebäudes zur Heilung kranker und toller Hunde" an, wie Hesse 1843 schrieb. Außerdem sollten für die damals 80 Militäreleven wieder Unterkünfte auf dem Gelände in einer Kaserne geschaffen werden, denn seit dem 1832 erfolgten Abriß des baufälligen Wohn- und Lehrgebäudes waren diese in angemieteten Wohnungen in der Nähe untergebracht. Dieses Gebäude sollte an der Philippstraße entstehen, wurde jedoch nicht ausgeführt.
Die Arbeit Hesses beschränkte sich aber nicht nur auf den Entwurf der Gebäude, sondern gleichzeitig sorgte er auch durch deren Anordnung für eine straffere Organisation des Geländes der Tierarzneischule. In der Gründungsphase auf dem Gebiet eines Barockgartens angelegt, hatte Carl Gotthard Langhans 1789 noch das Ideal des weitläufigen Landschaftsgartens auch in der Disposition der Tierarzneischulgebäude verfolgt. So stand z.B. das Anatomische Theater auf einem Hügel, umgeben von Koppeln und in Nachbarschaft der Panke. Kleinere Parkarchitekturen wurden noch lange als Ställe, Wohnhäuser etc. weitergenutzt. Hesse hingegen gliederte das Gelände stärker. Mit dem Ehrenhof des Hauptgebäudes gab es jetzt einen repräsentativen Zugang zur Tierarzneischule. Das Wohngebäude für die Militäreleven hätte etwas abseits gelegen und gleichzeitig eine Begrenzung des Geländes zur Philippstraße dargestellt. Besonders auffällig ist jedoch, daß Hesse eine Konzentration der Ställe, Schmiede und weiterer klinischer Gebäude im nördlichen Teil des Geländes anstrebte. Der parkähnliche Charakter der Anlage wurde dadurch jedoch nicht aufgehoben, wir wissen durch Hesse um die Beteiligung eines anerkannten Parkgestalters: Mit Ausnahme des Botanischen Gartens "wurde nach Beendigung der Neubauten durch die gefällige Mitwirkung des königlichen Garten-Direktors Herrn Lenné" der Garten "auf geschmackvolle Weise umgeschaffen".