BWL für Veterinärmediziner
Die Selbstständigenquote bei Tierärzten liegt in Deutschland bei ca. 42% (Quelle: Zentrale Tierärztedatei, 2012). Legt man diesen Anteil auf die durchschnittlichen Absolventenzahlen um, wird deutlich, dass jedes Jahr ca. 400 zukünftige Praxisinhaber an den deutschen tierärztlichen Hochschulen ausgebildet werden. Da das aktuelle Curriculum jedoch keinerlei betriebswirtschaftliche Inhalte vorschreibt, wird diesen potentiellen Unternehmern bislang an deutschen Universitäten weder kaufmännisches Denken noch Basiswissen in Unternehmensführung vermittelt.
Für den wirtschaftlichen Erfolg der Praxen hatte dies bereits Konsequenzen: 53% der Kleintierpraktiker erwirtschaften im Durchschnitt einen zu versteuernden Jahresgewinn von nur € 23.000,- (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2009), wobei reine Kleintierpraktiker wiederum die Hälfte aller praktizierenden Tierärzte ausmachen. Ergo bleibt einem Viertel aller Praktiker im Monat nur ein Betrag zwischen 1.100,- und 1.270,- Euro für die private Lebenshaltung, das Bilden von Rücklagen für Investitionen und die Tilgung eventueller Kredite (auch BAföG).
Eine einzelne Ursache für diesen wirtschaftlichen "Misserfolg" kann nicht identifiziert werden, er beruht sicherlich auf mehreren Faktoren. Zum einen werden bereits bei der Praxisgründung Faktoren wie Nachfrage und Wettbewerb vernachlässigt, was zu einer hohen Kleintierpraxis-Dichte in Ballungszentren führt, während Nutztierpraxen in ländlichen Räumen händeringend Nachwuchs suchen. Eine frühzeitige Aufklärung der Studierenden über diese Situation und auch über die realistischen Verdienstmöglichkeiten in Klein- und Großtierpraxis sind daher dringend erforderlich.
Weitere Beobachtungen sind, dass bei Tierärzten die Tendenz besteht, eher eine Praxis neu zu eröffnen als eine eingesessene zu übernehmen, und das wiederum am liebsten alleine (76% Einzelpraxen). Ob also über die Übernahme eines Kundenstamms, Synergieeffekte und die Möglichkeit der Spezialisierung im Team, sowie das Verteilen von Verantwortung, Kosten und unternehmerischem Risiko auf mehrere Schultern nachgedacht wird, ist zu bezweifeln. Häufig wird auch mittels Niedrigpreisen versucht, am Markt zu überleben, und die Preisspirale nach unten wird nur durch die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) aufgehalten. Sollte die GOT jedoch - wie derzeit in der Diskussion - tatsächlich abgeschafft werden, werden nur die Praxen langfristig überleben können, die kostendeckend arbeiten.
Um dem Abhilfe zu schaffen, wird seit dem Wintersemester 2013/14 an der Freien Universität Berlin der Wahlpflichtkurs "BWL für Veterinärmediziner" angeboten (zum Kurskonzept).
Schlagwörter
- BWL, Veterinärmediziner, Carolin Deiner, Gewinnermittlung, Kostenschätzung